Zunehmende sprachliche Verschiebung
„Hello“ statt „Bonjour“: Algerien setzt verstärkt auf Englisch
Algerische Schulkinder während des Englischunterrichts.
© Quelle: AP Photo
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Der Einfluss Frankreichs in Afrika ebbt ab. Algerien weitet jetzt den Englisch-Unterricht in Schulen aus – die Regierung spricht von einer strategischen Entscheidung. Manche halten den Schritt für überfällig.
Algier. Vor gut einem Jahr startete Algerien ein Pilotprogramm für Englischunterricht in der Grundschule. Nun fällt die Bilanz positiv aus, und das Projekt wird ausgeweitet. Es spiegelt einen weiterreichenden Trend wider: eine zunehmende sprachliche Verschiebung in ehemaligen französischen Kolonien in ganz Afrika.
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Schülerinnen und Schüler in der dritten und vierten Klasse werden von diesem Herbst an zwei Stunden Englischunterricht pro Wochen haben. An den Universitäten richtet das Land entsprechende neue Lehramtsprogramme ein. Weitere Änderungen sollen in den kommenden Jahren folgen. Zugleich setzt die Regierung verstärkt ein bereits seit Längerem existierendes Gesetz gegen private Schulen durch, in denen Französisch die Hauptsprache ist.
„Englisch zu lehren ist eine strategische Entscheidung im Zuge der neuen Bildungspolitik des Landes“, erklärte Bildungsminister Abdelkrim Belabed in der vergangenen Woche. Er lobte den Schritt als großen Erfolg.
Nur in zwei Ländern leben mehr französischsprachige Menschen als in Algerien
Englisch ist die meistgesprochene Sprache der Welt, macht einen Großteil der Inhalte im Internet aus und ist eine Verkehrssprache in Wirtschaft und Wissenschaft. Angesichts des schwindenden wirtschaftlichen und politischen Einflusses Frankreichs in Afrika schwenken Algerien und weitere Länder schrittweise auf Englisch als wichtigste Fremdsprache um. Das benachbarte Mali strich in diesem Jahr per Verfassungsänderung Französisch von der Liste seiner Amtssprachen, und Marokko machte an weiterführenden Schulen Englisch zum Pflichtfach.
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Nur in zwei Ländern weltweit leben mehr französischsprachige Menschen als in Algerien – und zwar in Frankreich selbst und in der Demokratischen Republik Kongo. Von den insgesamt 44 Millionen Algerierinnen und Algeriern beherrschen nach Angaben der Internationalen Organisation der Frankophonie fast 15 Millionen die französische Sprache.
Pensionierter Schuldirektor: Schritt kommt zu spät
Offiziell beschreibt die Regierung den Englischunterricht eher als praktische und nicht als politische Entscheidung und verweist auf die hohe Bedeutung der Sprache in Wissenschaft und Technik. Doch Fragen über die Rolle des Französischen in der algerischen Gesellschaft polarisieren schon lange, wie Lehrkräfte und ehemalige Bildungspolitiker einräumen.
Der pensionierte Schuldirektor Mohamed Arezki Ferdi vertritt die Ansicht, dass Algerien schon vor Jahrzehnten mit der Umstellung auf Englisch hätte anfangen sollen. Die aktuelle Initiative wurde von Präsident Abdelmadjid Tebboune gestartet, der seit 2019 im Amt ist. Einige seiner Vorgänger hätten ebenfalls schon versucht, das Englische auszuweiten, scheiterten aber an den auf Französisch ausgebildeten Eliten, die lange die Macht im Land innehatten.
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„Wir haben viel Zeit verloren“, sagt Ferdi. „Wir hätten Englisch in Grundschulen einführen sollen, als Präsident (Abdelaziz) Bouteflika nach seinem Amtsantritt 1991 seine Reformen vorgestellt hat. Aber zu dieser Zeit hatten französischsprachige Gruppierungen in Algerien viel Entscheidungsgewalt in den Institutionen.“
Spannungen zwischen Frankreich und Algerien
Die Ausweitung des Englischunterrichts kommt zu einer Zeit steigender Spannungen zwischen Frankreich und Algerien. Beide teilen zwar ähnliche Sicherheitsinteressen in Westafrika. Jedoch gerieten sie in den vergangenen Jahren wiederholt aneinander in Fragen zu Zuwanderung, Abschiebung und der Form des Gedenkens an den Kolonialismus und den brutalen Krieg, der in zur Unabhängigkeit Algeriens 1962 führte.
Das laufende Englischprogramm will Algerien im kommenden Jahr bis auf das fünfte Schuljahr verlängern. Grundschülerinnen und -schüler sollen daneben weiterhin drei Stunden pro Woche Französisch lernen.
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Bei der Einführung von Englisch als Fach hatte die algerische Regierung ihr Bekenntnis zu Französisch bekräftigt und angekündigt, dass die Sprache weiter umfassend unterrichtet werde. Der Minister für Hochschulbildung, Kamal Bedari, sagte jedoch kürzlich zum Beginn des Schuljahres, die Ausweitung des Englischprogramms solle Schüler darauf vorbereiten, später technische Kurse in dieser Sprache – und nicht auf Französisch – belegen zu können.
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Obwohl nur wenige die Bedeutung von Englisch bestreiten, sorgen sich manche, wie Algerien einen solchen Umstieg bewerkstelligen soll, und warnen davor, allzu schnell Erfolge zu vermelden. Ahmed Tessa, ehemaliger Berater im algerischen Bildungsministerium, hält einen Wandel nach eigenen Worten nur schrittweise für möglich. Dafür sei mehr notwendig, als lediglich Unterricht einzuführen: „Das ist keine kleine Aufgabe“, betont er.
An anderer Stelle ist die Abkehr vom Französischen noch deutlicher zu spüren als in den Schulen. Bei mehreren Ministerien hat die Regierung nach und nach die offiziellen Bezeichnungen von französisch auf englisch geändert. Und beim Besuch des französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron in Algiers im vergangenen Jahr waren dessen Titel und das Datum auf dem Rednerpult in zwei Sprachen angegeben: Englisch und Arabisch. Französisch war nicht dabei.
RND/AP
Author: Alyssa Martinez
Last Updated: 1703198882
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